Deutsch-Leistungskurs des Berufskolleg Siegburg diskutiert mit Wolf Biermann

4o Jahre nach dem legendären Konzert Wolf Biermanns in der Sporthalle in Köln, das zu seiner Ausbürgerung aus der DDR führte, trat der Liedermacher am 7. September erneut in der Domstadt auf, dieses Mal in der Kölner Philharmonie und zusammen mit seiner Ehefrau Pamela Biermann und dem Jazzorchester „ZentralQuartett“ mit dem Schlagzeuger Baby Sommer. Anlass für dieses Konzert unter dem Motto „Demokratie feiern – demokratisch wählen“ sind die Bundestagswahlen am 24. September und Biermanns Engagement für die Demokratie und eine hohe Wahlbeteiligung. Mit dieser Wahlkampftour und seinen deutschlandweit neun Konzerten will Biermann sich nach eigenen Angaben insbesondere an die jungen Wähler wenden, die die Freiheiten in der Demokratie häufig als selbstverständlich betrachten und nicht genügend für sie eintreten. Er selbst habe während seines Auftritts- und Publikationsverbots die Missachtung demokratischer Grundwerte hautnah erlebt und es sei ihm von daher ein Anliegen, dazu aufzurufen, „sich zu engagieren und angesichts von totalitären und fremdenfeindlichen Tendenzen nur wirklich demokratische Politiker zu wählen“. Deshalb sucht der Liedermacher vor dem Konzert das Gespräch mit ausgewählten Schülern und Auszubildenden, um mit ihnen über Demokratie zu diskutieren. Biermann verweist in diesem Zusammenhang auf sein Schlüsselerlebnis beim Brexit, der nicht zuletzt wegen der mangelnden Wahlbeteiligung der europafreundlichen jungen Generation zustande gekommen sei und die nun bedauere, ihr Wahlrecht nicht genutzt zu haben.

In Köln gehörte der Deutsch-Leistungskurs der Jahrgangsstufe 13 des Berufskollegs Siegburg zu den eingeladenen Schülern, die vorab mit Wolf Biermann und dem Schlagzeuger des Jazzorchesters, Baby Sommer, diskutieren und nachher das Konzert miterleben durften. Begleitet wurden die Schülerinnen und Schüler von der Schulleiterin Daniela Steffens und der Kursleiterin Angelika Krombach.

Die Schülerin Mia Lebbäus beschreibt die Eindrücke der Schüler folgendermaßen:

„Für uns ist Biermann ein absoluter Freiheitskämpfer. Seine Erzählungen zu seinen Erlebnissen in der ehemaligen DDR Diktatur wirkten auf uns sehr bewegend. Durch anschauliche Beispiele vermittelte er uns das Bild eines Kämpfers und brachte uns näher, wie es sich anfühlt, alles zu verlieren. Wir konnten spüren, dass er jahrelang unter emotionaler Bedrängnis stand. Man merkte in diesem Gespräch, wie stark er vereinsamte, dadurch dass er keinerlei öffentliche Konzerte geben durfte und seine Freunde nicht sehen durfte. Trotzdem behielt er seinen Mut und kämpfte weiter. Auf meine Frage, wie er diese schlimme Zeit überstanden habe, antwortete Wolf Biermann mit einer Anmerkung, die uns alle zum Nachdenken anregte: ‚Es ist nicht die Frage, ob man Angst hat, sondern ob die Angst einen hat.‘

Sehr gefallen hat uns, dass Biermann sehr positiv und ausführlich auf unsere Fragen reagiert hat. Er antwortete so ungeniert, wie man Wolf Biermann kennt. Auch ein neues Wort lernten wir durch seine Erzählungen kennen, nämlich das Wort „plitsch“. Mit diesem Begriff beschreiben Hamburger jemanden, der politisch smart, glatt ist.

Die Intention, uns Jugendliche zu motivieren, wählen zu gehen, hat Biermann uns ebenfalls näher gebracht. Er zeigte uns eindrucksvoll, wie wichtig es ist, eine politische Meinung zu haben, ungeachtet dessen, welche es ist, wobei er selbst sich ausdrücklich von der AfD und der Linken distanzierte.

Trotz dieses positiven Gesamteindrucks von der Diskussion hatten wir teilweise das Gefühl, dass ihm trotz seiner jungen Kinder das Verständnis für uns und der Bezug zur Jugend fehlt. Denn für ganz so desinteressiert und wenig engagiert halten wir uns selbst nicht. Da haben Biermann, aber mehr noch Baby Sommer, die junge Generation aus unserer Sicht zu pauschal dargestellt.

Von dem Konzert waren wir alle begeistert.

Unsere Favoriten waren definitiv das Lied „Ermutigung“ und das „China-Lied“.

Foto: Wolf Biermann im Gespräch mit Schülern des Berufskollegs und Schulleiterin Daniela Steffens